Ich investiere seit mehreren Jahren in China-Aktien. Mich beeindruckt der Ehrgeiz der Chinesen, ihre Tech-Affinität und ihre Arbeitsmoral. Eigentlich ein wunderbares Umfeld für erfolgreiche Unternehmen – und damit für spektakuläre Renditen an den Aktienmärkten. Wäre die da nicht Regierung in Peking... Die sorgte nämlich dafür, das China-Aktien seit ein paar Wochen mächtig unter Druck stehen.
Was genau die chinesische Regierung trieb, welche Folgen das für Investoren haben könnte und wie ich auf diese Situation reagiere, erfährst du im folgenden Beitrag. Viel Spaß beim Lesen!
Quelle: canva.com
China-Aktien unter Druck: Was ist da eigentlich genau los?
Alles begann Anfang Juli 2021: Kurz nach dem Börsengang der Didi-Aktie strich die chinesische Regierung die App des Fahrdienstleister kurzerhand aus dem App-Store. Peking befürchtete angeblich den Transfer von Nutzerdaten ins Ausland. Dieser staatliche Eingriff sorgte dafür, dass auch viele andere China-Aktien unter Druck gerieten.
Das war jedoch erst der Anfang. Ein paar Wochen später verkündete Peking, dass Nachhilfeinstitute keinen Gewinn mehr erzielen dürfen. Die Aktien von Unternehmen aus diesem Bereich brachen darauf hin massiv ein. Doch auch vor den großen Tech-Konzernen wie Alibaba oder Tencent machte der Kurssturz keinen Halt: Der dramatisch Eingriff in den Bildungsmarkt sorgte für einen Vertrauensverlust an der Börse. Die Folge: China-Aktien gerieten erneut unter Druck!
Wer nun denkt, beliebte China-Aktien wie die von Alibaba oder Tencent seien nicht von staatlichen "Maßnahmen" betroffen, der irrt: Angeblich wirft Peking aktuell einen prüfenden Blick auf die starke Stellung von Tencent am Musikmarkt. Eine Geldstrafe wurde bereits verhängt, ob weitere – und vor allem welche – Schritte folgen, ist unklar.
Das massive Eingreifen der chinesischen Regierung war also dafür verantwortlich, dass China-Aktie unter Druck gerieten. Doch was bedeutet das für Investoren, die chinesische Aktien im Depot haben? Verkaufen, nachkaufen oder einfach nichts tun?
Alles nur Panik? Oder müssen wir China-Investoren uns Sorgen machen?
Ich besitze wie eingangs erwähnt mehrere chinesische Aktien, darunter Alibaba, Tencent, Geely und Xiaomi. Ich bin also direkt von dieser Problematik betroffen. Natürlich war mir vor diesen Käufen klar, dass die chinesische Regierung in fast allen Bereichen ihre Finger im Spiel hat. Sie versucht, die Dinge zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Hier findest du drei China-Aktien, die ich vor ein paar Monaten noch extrem spannend fand...
Jedoch ging ich davon aus, dass Peking an starken, technologisch führenden Unternehmen aus dem eigenen Land interessiert sei. Alleine des Nationalstolzes wegen! Entsprechend konnte ich mir Markteingriffe, die ganze Geschäftsmodelle wie den Bildungsmarkt zu Fall bringen, ehrlich gesagt nicht vorstellen. Und auch die Attacke auf Tencent verheißt nichts Gutes. Denn im Grunde verdeutlicht so ein Vorgehen nichts anders, als das Erfolg bestraft wird: Je besser du bist, desto genauer schauen wir hin. Und desto mehr versuchen wir dich zu bremsen.
Einer der attraktivsten Aktienmärkte der Welt war in der Vergangenheit zweifelsfrei der US-Aktienmarkt. Einer der Gründe für diese Erfolgsgeschichte: Unternehmerische Freiheit – ohne Rücksicht auf Verluste! Ich behaupte nicht, dass diese extreme Form des Kapitalismus auf allen Ebenen unbedingt der beste Ansatz ist. Aber: Für erfolgreiches Unternehmertum – und damit für erfolgreiche Aktien – ist das ein wunderbarer Nährboden.
Aufgrund der hungrigen Bevölkerung, der ehrgeizigen Regierung und des Bevölkerungswachstums in China bin ich bis vor wenigen Wochen davon ausgegangen, dass auch in der Volksrepublik ein gutes Umfeld für aufstrebende Unternehmen herrscht. Doch die jüngsten Markteingriffe setzten nicht nur China-Aktien unter Druck, sondern lassen mich generell am Wirtschaftsstandort China zweifeln: Ist in China wirklich ein Umfeld vorhanden, in dem großartige Unternehmen wie Amazon, Apple, Facebook oder Netflix entstehen können? Ich meine auf lange Sicht von 10, 20 oder sogar 30 Jahren!
Ganz ehrlich: Ich habe meine Zweifel! Trotz meiner Skepsis beginne ich jetzt jedoch nicht damit, meine chinesischen Aktien panisch zu verkaufen!
Quelle: canva.com – trotz der Panik unter den China-Aktien bleibe ich cool
China-Aktien unter Druck – mein Fazit
Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen sind einige, chinesische Aktien richtig günstig geworden. Zum anderen werden Unternehmen wie Alibaba und Tencent weiter wachsen, auch wenn die chinesische Regierung dazwischen funken sollte. Zu viel Wachstumspotential bieten der Märkte, zu stark ist deren Marktposition.
Kurs-Gewinn-Verhältnis | |
Alibaba | 23,7 |
Baidu | 7,8 |
Tencent | 21,8 |
Quelle: YAHOO! Finance, Stand: 29.07.2021
Angesichts des Wachstums dieser Unternehmen sehen die Bewertungen der drei in der Tabelle enthaltenen Aktien tatsächlich günstig aus. Vielleicht sogar zu günstig, wer weiß. Auf diesem Niveau möchte ich jedenfalls nicht verkaufen. Noch nicht...
Denn als langfristig orientierter Anleger änderte sich meine Meinung zu chinesischen Aktien in den letzten Wochen drastisch. Weniger weil China-Aktien unter Druck gerieten, das stört mich erst mal nicht. Viel schlimmer finde ich die Art und Weise, wie die chinesische Regierung in die Märkte eingegriff. Ich bin mir sicher: In so einem Umfeld entwicklen nur wenig großartige Unternehmen. Und das reduziert meiner Meinung nach die Chancen auf großartige Aktien erheblich.
Ich werde mir daher keine weiteren China-Aktien ins Depot legen. Wenn sich die Lage an der Börse wieder beruhigt hat und China-Aktien weniger unter Druck stehen, werde ich mich sogar von der ein oder anderen China-Aktie trennen. Denn in meinen Aktiendepot sollen langfristig nur die besten Unternehmen einen Platz finden. Die Chance, dass diese in den nächsten Jahren aus China kommen werden, stehen nach den letzten Wochen in meinen Augen eher schlecht.
Was ich wann ge- und verkauft habe, erfährst du in meinem Investmenttagebuch
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2 Kommentare
Hi Marco,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! :-)
Im Prinzip gehen unsere Meinungen gar nicht so weit auseinander: Es ist extrem schwierig, den chinesischen Markt und das Potential chinesischer Unternehmen einzuschätzen. Das war mir – wir du es ja schreibst, vorher klar. Mit derartigen Maßnahmen hätte ich allerdings nicht gerechnet, da bin ich ehrlich. Zwar mag das Verhalten der Regierung im Fall “Nachhilfe” nachvollziehbar sein. Aus Investorensicht sind solche radikalen Lösungen aber eine Katastrophe. Nicht einmal die Linken würden bei uns in D soweit gehen ;-) Und das ist für mich das Problem: Ich weiß eben heute nicht, wo Probleme herrschen, die morgen für solche Maßnahmen sorgen. Ein völlig unkalkulierbares Risiko!
Grüß dich Thomas,
vielen Dank für die Mühe, die du dir mit diesem Beitrag gemacht hast.
Hinter den Markteingriffen der chinesischen Regierung steckt durchaus ökonomisches Kalkül. Vor allem kommen die Maßnahmen der chinesischen Regierung nicht aus dem Nichts, sondern werden öffentlichkeitswirksam im Rahmen eines 5-Jahres-Planes angekündigt. Im aktuellen Fall reagiert die Kommunistische Partei Chinas auf die Tatsache, dass der rasant wachsende Nachhilfesektor mittlerweile öffentliche Schulen als Hauptanbieter von Bildung abgelöst hat. Ohne behördliche Aufsicht. Ich bin mir sicher, dass würde auch in Deutschland nicht zugelassen werden. Darüber hinaus bekommen die Eltern Angst, dass die Kinder, die öffentliche Schulen besuchen, im Rennen um die besten Ausbildungs- und Studienplätze benachteiligt sein werden. Nur eine hervorragende Ausbildung verleiht einem Chinesen das Bürgerrecht am Sozialsystem einer Stadt teilnehmen zu dürfen. Hier entscheidet eine einzige Prüfung. Die Lehrer der öffentlichen Schulen wandern zu den privaten Nachhilfefirmen ab, da es dort mehr zu verdienen gibt. Ich bin nicht sicher, ob es zu den Eingriffen der Regierung eine Alternative gegeben hätte.
Die nächsten Eingriffe der chinesischen Regierung sind für den Immobilienmarkt angekündigt.
Manchmal werden diese Maßnahmen ein wenig leichtfertig als Willkür oder Machtdemonstration abgetan. Ich möchte damit sagen, dass die chinesische Regierung keine völlig unberechenbare Institution ist. Wir müssen vielmehr damit leben, dass wir als europäische Privatanleger über China zu wenig wissen. Weil wir vielleicht auch nur demokratische Strukturen kennen. Vielleicht unterschätzen wir so auch das Risiko.
Trotzdem ist China ein Umfeld für großartige Unternehmen. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns fragen, ob wir das System aus der Ferne völlig durchblicken. Ich sehe das Problem bei uns Anlegern und weniger bei der Regierung.
Gehst Du nun davon aus, dass die bisherigen Bewertungen einiger chinesischer Unternehmen weiterhin gültig sind? Du schreibst ja, dass sie für dich nun günstig sind. Hat sich für dich nur der Aktienkurs verändert und nicht die fundamentalen Voraussetzungen? Wann würdest du dich von den Unternehmen trennen? Wenn die nächste Eingriffsmaßnahme getroffen wird? Oder die übernächste? Oder wenn deine Performance in den negativen Bereich umschwenkt? Wie ist dein Plan nun konkret? Das würde mich interessieren.
Es reicht nicht einfach “nur” zu wachsen, damit die Aktienkurse wieder steigen. Bisherigen Wachstum muss bestätigt und gesteigert werden. Und das am besten stetig.
Es wird vermutlich sinnvoll sein, dass viele Anleger sich nun von Unternehmen der betroffenen Branchen trennen. Der gewinnorientierte Nachhilfesektor dürfte erledigt sein. Ich persönlich kann jedoch nicht verstehen, wenn sich Privatanleger nun von allen chinesischen Aktien trennen, weil das Risiko auf einmal zu groß geworden sei. Dann ist bereits bei der Analyse etwas grundlegend schief gelaufen. Das Risiko der staatlichen Eingriffe war lange bekannt und nur weil es nun einmal real geworden ist, sollte das einen erfahrenen Anleger nicht aus der Bahn werfen.
Ich denke für die meisten Privatanleger wäre ein ETF-Investment ein einfacher Weg um an den gewaltigen wirtschaftlichen Chancen Chinas zu partizipieren. Ich habe trotzdem ebenfalls Einzelinvestments gewagt. Ob das klug war wird sich zeigen. Ich werde meine Investments weiterhin halten. Ich manage mein Risiko durch die Begrenzung von China-Investments am Gesamtportfolio und auf den ausschließlichen Fokus auf die Big Player mit vielen Umsatzquellen, wie z.B. Alibaba, Tencent und Xiaomi. Es wird jederzeit Eingriffsmaßnahmen geben können. Das wusste man vorher. Mit mittlerweile ebenfalls einem Jahrzehnt an Investmenterfahrung traue ich mir mehr nicht zu. Und wundere mich darüber, wie viele andere Privatanleger mit noch weniger Erfahrung es aber tun.
Viele Grüße
Marco